Timo, elf Jahre alt, zwei Gewaltdelikte, ein Ladendiebstahl, vier Vermisstenmeldungen und diverse Male als Zeuge in Ermittlungsverfahren mit weiteren minderjährigen Tatverdächtigen in Erscheinung getreten. So ähnlich liest sich immer wieder die Vita eines Kindes im Rahmen der polizeilichen Sachbearbeitung. Sein Verhalten gibt Anlass zur Sorge, sich bei ungünstigen Rahmenbedingungen zu einem sogenannten Intensivtäter zu entwickeln.
Die NRW-Initiative „Kurve kriegen“ hat zum Ziel, die Entwicklung besonders kriminalitätsgefährdeter Kinder und Jugendlichen zu Intensivtätern frühestmöglich zu erkennen und nachhaltig zu verhindern, um so die Anzahl der von ihnen begangenen Straftaten und damit auch die Anzahl ihrer Opfer auf „Null“ zu reduzieren bzw. deutlich zu verringern.
Teams aus erfahrenen Kriminalbeamtinnen und -beamten sowie pädagogischen Fachkräften arbeiten eng und rollenklar miteinander. Sie begleiten delinquente Kinder und Jugendliche in ein Leben ohne Kriminalität, um ihnen die Chance einer Perspektive und gesellschaftliche Teilhabe zu bieten.
2011 wurde die bundesweit einmalige Initiative durch das Ministerium des Innern NRW auf Grundlage der Erkenntnisse der Enquetekommission Prävention zunächst in acht Polizeibehörden, darunter Köln, auf den Weg gebracht. Seit dem erfolgreichen Start beteiligen sich inzwischen 42 Behörden.
Wissenschaftlich ist die Wirksamkeit und Effizienz der Initiative durch die Evaluationen der Kieler Christian-Albrecht-Universität und der PROGNOS AG gut belegt. 40 Prozent der Absolventen werden in der Folge nicht mehr straffällig. Bei den restlichen 60 Prozent halbieren sich die Straftaten.
Frühe Hilfe statt späte Härte!
Eine Teilnahme an „Kurve kriegen“ ist möglich, wenn Kinder bzw. junge Jugendliche durch Straftaten auffallen, ihre Lebensumstände risikobelastet sind und eine Entwicklung in Richtung einer Intensivtäterin / eines Intensivtäters prognostiziert wird.
Erfahrungsgemäß ist die kriminalpräventive Wirkung umso größer, je jünger das auffällige Kind ist. Der Fokus liegt daher im Alterssegment von 8 - 15 Jahren.
Im Kriminalkommissariat 43 erfolgt ein sogenanntes Risikoscreening für potenzielle Teilnehmende. Neben den strafrechtlichen Auffälligkeiten werden insbesondere die Lebensumstände der jungen Menschen betrachtet. Sog. Risikofaktoren wie z. B. Häuslicher Gewalt, sonstige Gewalterfahrung, Drogenkonsum, problematisches Freizeitverhalten, Schulverweigerung, Gebrauch/Einsatz von Waffen, kann das Risiko, dauerhaft in die Kriminalität abzurutschen, erhöhen.
Die Polizei sucht die Familien auf, informiert über das Programm und unterbreitet ein Angebot zur Teilnahme. Bei Zusage der Sorgeberechtigten erfolgt die Aufnahme und Vermittlung an die pädagogischen Fachkräfte von „Kurve kriegen“. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos.
Die Polizei Köln arbeitet seit Jahren mit pädagogischen Fachkräften der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Köln e. V. (AWO) intensiv zusammen. Sie fungieren als Bindeglied zum Jugendamt und Kooperationspartnern wie z. B. Schulen etc. Sie koordinieren die Netzwerkarbeit und erstellen ein passgenaues kriminalpräventiv wirkendes Angebot für die Kinder, Jugendlichen und deren Familien.
Das Team, bestehend aus vier pädagogischen Fachkräften und zwei Beschäftigten der Kriminalpolizei, unterstützt gemeinsam auf dem Weg „die Kurve zu kriegen“.
Wir bieten:
⦁ Aktive Unterstützung durch erfahrene Fachkräfte,
⦁ Individuelle Förderung für das Kind (z. B. Kompetenztraining, schulische Unterstützung, Freizeitangebote, individuelle Unterstützung und auch Elternberatung),
⦁ Neue Wege und Perspektiven.
Was können Erziehungsberechtigte und betroffene Kinder tun?
⦁ Sie haben die Wahl!
⦁ Seien Sie offen für die gemeinsame Arbeit. Lassen Sie sich drauf ein.
⦁ Ergreifen Sie die Chance, Probleme anzugehen und sie mit unserer Unterstützung zu lösen.