"Dies zu verhindern, fordert uns als Gesellschaft. JEDER kann Opfer werden oder als naher Angehöriger mit den schlimmen Folgen derartiger Verletzungen konfrontiert werden", sagte Polizeipräsident Uwe Jacob und gab am 9. September (Montag) um 15 Uhr auf dem Chlodwigplatz im Rahmen eines Medientermins den Startschuss für die Aktion "Ja zum Helm".
Jacob will "Ja zum Helm" nicht als fordernden Zeigefinger verstanden wissen. Die Aktion soll Radfahrerinnen und Radfahrer nachhaltig zum Nachdenken und Handeln anregen.
Fünf Polizisten, die selbst in schwere Unfälle als Radfahrer verwickelt waren, berichten hier über ihre Erlebnisse als Unfallopfer sowie die Folgen und zeigen damit, dass fahrerisches Können alleine nicht ausreicht, um unfallfrei mit dem Rad am Ziel anzukommen. Welche Energie bei einem Sturz auf den Kopf einwirkt, veranschaulichten schon beim Pressetermin die Helme, die drei der Polizisten nach ihrem Unfall aufgehoben haben und die sie zum Teil in Videobotschaften präsentieren.
Die Geschichten der Kollegen finden Sie hier im Detail und in Videobotschaften.
-Markus Buckan
Im Oktober 2013 hat sich das Leben von Markus Buckan nachhaltig verändert. Er war auf dem Weg in ein Restaurant, als er an einem Samstagnachmittag in einem Kreisverkehr mit einer Geschwindigkeit von nur zehn Stundenkilometern mit dem Rad verunglückte – mit seinem Kopf auf der Dachkante eines Autos aufschlug und bewusstlos liegen blieb. Er hatte den Unfall nicht kommen sehen, hatte keine Chance, sich abzufangen.
Das Wichtigste vorweg. Er ist wieder ganz gesund geworden und arbeitet heute beim Verkehrsdienst der Polizei Köln. Noch heute – sechs Jahre nach seinem schweren Fahrradunfall fällt es ihm manchmal schwer, über seine Erlebnisse und die Folgen zu reden. In den Wochen nach dem schweren Unfall war nicht sicher, dass Buckan – damals Leiter der Fahrradstaffel der Polizei Köln mit der Erfahrung von 5000 Kilometern pro Jahr auf dem Rad – wieder zurückkommt.
Die Folgen seines schweren Unfalls beschreibt Buckan in drastischen Worten:
Der leitende Arzt auf der Intensivstation hat meine Angehörigen mit den Worten «Ohne Helm wäre er jetzt tot» begrüßt. Aus dem Leben gerissen! Mir fehlen 14 Tage meines Lebens – es fehlen 14 Tage Erinnerungen durch das künstliche Koma, in das mich die Ärzte auf der Neurologischen Intensivstation der Uniklinik versetzt hatten. 14 Tage, in denen meine Freunde und Verwandten sich darum gesorgt haben, ob ich möglicherweise querschnittsgelähmt oder geistig eingeschränkt wach werde. Ich war mit dem Kopf frontal gegen das Auto geknallt. In diesem Teil des Gehirns „Frontal Kortex“ sitzt das Emotionszentrum. Als ich wieder wach war, hatte ich über Emotionen keine Kontrolle mehr. Ich habe in den ersten 10 Tagen wegen jeder Kleinigkeit angefangen zu heulen. Meine Geistesreife war nach dem Unfall vergleichbar mit der eines 6-Jährigen. Ich habe unter anderem immer das gesagt, was ich gerade gedacht oder gefühlt habe. Diplomatie war mir völlig fremd. Mein Kurzzeitgedächtnis war stark eingeschränkt. Ich habe Dinge gleich nach dem Hören regelmäßig wieder vergessen. Nicht nur, dass sich die Herbstferien mit meinen Kindern erledigt hatten - in der Anfangszeit konnte ich meine Kinder auf Fotos nicht einmal mehr erkennen.
Die eigenen Erfahrungen haben Markus Buckan verändert und in Vorbereitung der Aktion „Ja zum Helm“ haben ihn die Erinnerungen wieder eingeholt. Erinnerungen an die erste Fahrt mit dem Rad nach seiner Reha, Tränen in den Augen; die erste Fahrt an der Unfallstelle vorbei, die Kreidespuren der Unfallaufnahme waren noch zu erkennen; die Ermittlungen 2018 nach einem Radunfall auf der Intensivstation der Neurologie der Uniklinik und die Aussage einer Krankenschwester, dass die meisten Menschen von hier das Krankenhaus nicht mehr lebend verlassen. Und wenn doch, dann einige als Pflegefall. Die Erinnerungen kamen zurück: „Die Lagerung der Menschen erinnerte mich spontan sehr an das Foto meiner Zeit auf der Intensivstation – gleiche Lagerung, gleiche Verkabelung, ähnliches Verletzungsmuster. Der Mann, nach dessen Unfall ich in der Klinik ermittelte, ist später an den Folgen seiner Verletzung tatsächlich gestorben.“
Markus Buckan ist sehr dankbar. Dankbar, dass es ihm wieder gut geht. Auch wenn die eigenen Erlebnisse noch immer etwas mit ihm machen, teilt er sie, um anderen Menschen zu zeigen, wie wichtig es sein kann, den Kopf beim Radfahren zu schützen.
- Uwe Rausch
Uwe Rausch hat nach seinem Radsturz einen Brief an viele seiner Bekannten und Freunde geschrieben. Er ist überzeugt, dass er seinen Sturz nicht oder nur mit schwersten körperlichen Schäden überlebt hätte, wäre da nicht sein Lebensretter gewesen.
Wenn ich vorstellen darf: mein Helm - mein Lebensretter! (siehe Bild)
Der Pfeil markiert die beschädigten Stellen am Helm:
Einschlag Bordsteinkante; die Innenschale des Helms, der gut angepasst am Kopf blieb, ist an diversen Stellen gebrochen; das Visier ist stark verkratzt. Wie hätte mein Gesicht wohl ausgesehen? Du erkennst einen dunklen Fleck? Das ist Blut - es stammt aus den beiden genähten Platzwunden an meinem Hinterkopf, daneben die Brüche der Helmschale.
Zwischen Bordstein & Kopf lag ein schlapper Zentimeter. Und ein Helm. Gott sei Dank! Neuer Geburtstag: 3.6.2018.
Diese Mail darfst Du gerne an alle Helmmuffel weiterleiten! Auch an die mit Hollandrad oder an Eltern, deren Kinder mit Helm fahren müssen. Kann mir bei der langsamen Geschwindigkeit nicht passieren...denkst Du! Hoffst Du! Hoffentlich!
Denkt bitte an Angehörige und Freunde, bevor ihr auf das Rad steigt. Und tragt Helm. Wenn ihr schwer stürzt, dann ist deren Leben evtl. erheblich GE- oder zerstört. Du bekommst es selbst vielleicht nicht mehr mit - aber die Menschen um Dich herum leiden. Nur weil Deine Frisur ruiniert wird oder man mit Helm doof aussieht? Das ist es nicht wert!
Zu mir: ich war nach dem Sturz auf die Bordsteinkante mehrfach ohne Bewusstsein. Ich hätte nach dem Sturz vor 14 Tagen nicht nur doof ausgesehen. Vermutlich wäre ich tot oder ein Leben lang ohne klären Verstand gewesen (dann lieber tot)!
So war ich nur 24 Stunden auf einer Intensivstation. Eine leichte OP, Knochen verschraubt. Gehirnerschütterung, starker Schwindel. Diverse Prellungen, Schürfungen. Nach 5 Tagen wieder aus dem Krankenhaus zu Hause bei Familie und Freunden.
Think before you ride your bike! Bitte tragt den Helm! Auch auf kurzen Strecken. Danke! Schön, dass ich Dir (selbst) schreiben kann.
-Dirk Hammers
Nach einem Frühdienst im Jahr 2007 startet Dirk Hammers mit seinem Rennrad am Polizeipräsidium in den Feierabend. Feuchtigkeit auf der Straße nach einem Regenschauer wird ihm schon wenige Minuten später zum Verhängnis. Seine Erinnerung endet damit, dass er von der Gummersbacher Straße zur Lanxess-Arena hochfährt.
+++Filmriss+++.
Die Bilder bewegen sich erst wieder, als ein Passant ihn bewusstlos auf der Rampe zum Deutzer Bahnhof findet und den Rettungsdienst verständigt. Was genau passiert ist, lässt sich bis heute nicht sagen.
Sicher ist jedoch, dass er mit dem Kopf heftig auf dem Boden aufgeschlagen sein muss, denn das Innenleben seines Radhelms ist im Bereich der linken Schläfe gerissen.
Das Bewusstsein erlangt Hammers auf der Intensivstation des Eduardus-Krankenhauses wieder. Einem zweitägigen Aufenthalt im Krankenhaus folgen vier Wochen, in denen er in Folge einer schweren Gehirnerschütterung dienstunfähig ist.
- Carsten Haberland
Carsten Haberland ist aktiver (privater) Mountainbiker und hat neben vielen kleinen auch zwei schwerere Stürze hinter sich.
Beim ersten flog er 1994 am Gardasee in schwerem Gelände über den Lenker und schlug mit dem Kopf voran auf einem Felsen auf. Der Helm absorbierte den Aufprall und brach dabei in der Mitte.
Beim zweiten schweren Sturz 2014 im Bikepark in Bad Hindelang verlor Haberland in einer Abfahrt die Kontrolle über sein Rad und stürzte erneut über den Lenker auf den Kopf. Der war auch dieses Mal mit einem Helm geschützt. Die Wucht des Aufpralls auf Felsen verdeutlicht eine Schultereckgelenkssprengung, die Ärzte im Krankenhaus Immenstadt nach seiner Rettung durch die Bergwacht diagnostizierten. Carsten Haberland ist im Besitz eines GoPro-Videos, das die Abfahrt und den Sturz dokumentiert.
- Thomas Hoffmann
Thomas Hoffmann war 2009 als Radfahrer in einen Verkehrsunfall in Köln-Deutz verwickelt. Ein entgegenkommender BMW erfasste ihn beim Abbiegen. Hoffmann landete mit der Hüfte in der Windschutzscheibe, schlug mit dem Kopf gegen die Dachkante und rutschte über Motorhaube zurück auf die Straße, wo er ein zweites Mal mit dem Kopf aufschlug.
Sein Helm, den er beim Unfall trug, ist an den Stellen gebrochen, an denen er die den Kopf des Polizisten schützte.
Mit seinem Lebensretter machen die Kollegen der Verkehrsunfallprävention bei Radfahrern seit Jahren Werbung für den Helm.